5. März 2019

HEYO! Granola: Das erste soziale Bio-Müsli im Glas

Heyho Granola produziert Bio-Müsli im (Pfand) Glas. Die soziale Müslirösterei aus Lüneburg beschäftigt außerdem gesellschaftlich benachteiligte Menschen.

Verena Hirsch
Verena Hirsch

HEYHO Granola macht Schluss mit Fließ­band­pro­duk­ti­on, Ver­pa­ckungs­wahn und sozialer Aus­gren­zung. In der Lüne­bur­ger Granola-Manu­fak­tur rösten die Granola-Akti­vis­ten Chris­ti­an, Stefan und Tim mit ihrem Team Müslis in Hand­ar­beit. Die Zutaten sind bio­lo­gisch und groß­teils aus der Region. Die soziale Müs­li­rös­te­rei öffnet außerdem gesell­schaft­lich benach­tei­lig­ten Menschen die Tür zur Teilhabe am Arbeits­le­ben. Ich habe mit Chris­ti­an über’s Früh­stü­cken, das bunte HEYHO Granola Team und Wachstum mit Grenzen gesprochen.

Chris­ti­an, beim Thema Früh­stück scheiden sich ja oft die Geister. Kann ein Granola Aktivist über­haupt ohne Früh­stück das Haus verlassen?

Ich kann kurz ohne Früh­stück aus dem Haus gehen, aber wo auch immer ich dann ankomme, muss ich tat­säch­lich erstmal früh­stü­cken – am liebsten dann natür­lich ein HEYHO Granola, man muss ja immer schauen, dass die Qualität stimmt.

Warum sollte aus­ge­rech­net HEYHO Granola auf dem Früh­stück­tisch stehen?

Weil man sich mit unseren ver­rück­ten Sorten nicht nur sich selbst eine Freude machen kann, sondern auch den Leuten, die in der Pro­duk­ti­on bei HEYHO arbeiten. Wir bauen einen bunten Pro­duk­ti­ons­stand­ort auf, wo wir für Menschen Per­spek­ti­ven schaffen, die vom Jobmarkt aus­ge­schlos­sen sind. Je mehr Menschen HEYHO Granola essen, umso mehr Müsli können wir rösten und umso mehr Leute können wir beschäftigen.

Heyho Granola Auswahl

Woher kommt dieser soziale Ansatz, gesell­schaft­lich benach­tei­lig­te Menschen zu beschäftigen?

Grund­sätz­lich haben wir bei HEYHO! den tiefen Wunsch nach mehr Fairness in der Gesell­schaft. Wir leben in einer Welt, wo doch jeder ahnt: so kann es einfach nicht wei­ter­ge­hen. Wir wollen einfach zeigen, dass es auch anders gehen kann. Mit HEYHO! wollen wir beweisen, dass die Welt zwar nicht das vier­hun­derts­te Müsli braucht, aber ein anderes Wirt­schaf­ten. Mit einer klaren sozialen Ziel­set­zung bringen wir wieder mehr Abwechs­lung ins Müs­li­seg­ment, dazu­ge­ge­ben ziemlich ver­staubt ist. Durch einen guten Zufall haben Tim und ich Stefan ken­nen­ge­lernt. Er arbeitet seit 20 Jahren in der Woh­nungs­lo­sen­hil­fe. Dadurch kam die konkrete Idee, mit dem Projekt wieder Per­spek­ti­ven für Menschen zu schaffen, die aufgrund ihrer Lebens­ge­schich­te vom Arbeits­markt aus­ge­schlos­sen sind.

Seht ihr euch als Vor­rei­ter in Sachen Ver­ant­wor­tung der Unter­neh­men für Mitarbeiter?

Vor­rei­ter wär viel­leicht etwas zu dick auf­ge­tra­gen. Wir wollen einfach beweisen, dass man mit Ver­trau­en, Wert­schät­zung und Offen­heit ganz viel Posi­ti­ves bei Menschen bewirken kann. Bei HEYHO Granola schaffen wir einen Ort, an dem Menschen, die viel­leicht noch nie Wert­schät­zung erfahren haben, fair bezahlt werden und wo jemand sagt „Cool, dass du da bist“. Wir sind über­zeugt, dass jeder etwas kann und tief drinnen auch den Wunsch verspürt, etwas zu machen. Sieben Tage Sonntag sind eben auch kein High­light. Jeder Mensch will doch Teil von etwas sein und sich ein­brin­gen. Das ist der Antrieb, warum wir zur Arbeit gehen. Das ist ein wich­ti­ger Grund, warum wir zur Arbeit gehen. Neben dem finan­zi­el­len Aspekt geht es am Ende doch um Wert­schät­zung und Teilhabe. Wenn wir da andere Unter­neh­men inspi­rie­ren können nehmen wir die Vor­rei­ter­rol­le gerne an.

Du hast bereits erwähnt, dass HEYHO mit einem sehr bunten Team in der Rösterei steht. Wer gehört denn zu Eurer Crew?

Bei HEYHO! arbeiten Menschen aus den ver­schie­dens­ten Him­mels­rich­tun­gen des Lebens. Es gibt tausend Gründe warum Menschen an Grenzen stoßen und keine Chance mehr auf eine fair bezahlte Anstel­lung bekommen. Wir kramen nicht in der Ver­gan­gen­heit, sondern schauen nach vorne und fragen, worauf die Mitarbeiter*innen inhalt­lich Lust haben und wo sie weiter kommen wollen. Bei uns ist es egal, was die Leute vorher gemacht haben. Wir schauen, worauf die Mitarbeiter*innen inhalt­lich Lust haben zu arbeiten und wo sie wei­ter­kom­men wollen.

Milad ist z.B. vor drei Jahren aus dem Iran geflohen und hatte es aufgrund von Sprach­bar­rie­ren und man­geln­der Aus­bil­dung sehr schwer, einen Job zu finden. Bei HEYHO! sorgt er für gute Stimmung in der Pro­duk­ti­on und packt bei allen Schrit­ten in der Pro­duk­ti­on mit an. Ohne Milad geht nix. Dieses Jar werden wir ihn hof­fent­lich fest anstel­len können, das ist unser großes Ziel.

Dann arbeiten wir z.B. noch mit Karl (Name geändert). Aufgrund einer Depres­si­ons­er­kran­kung ist er schon länger aus dem Arbeits­le­ben raus – früh­ver­ren­tet mit Anfang 30, also echt noch jung. Karl braucht viel Ordnung und klare Struk­tu­ren. Deshalb schmeißt er bei uns das Ver­sand­la­ger und hilft, Ordnung in unseren Cha­os­hau­fen zu bringen. Bei uns arbeiten auch noch Stu­die­ren­de der Uni Lüneburg, die lieber mit uns Müsli rösten, anstatt zu kellnern.

Die Vielfalt der Cha­rak­te­re trägt eben wesent­lich zur Stimmung in der Rösterei bei. mit. Ganz ehrlich: Am Ende hat doch jeder einen weg von uns. Es gibt keinen, der komplett knusper ist. (kurzer Lach­flash bei­der­seits) Am Ende muss es natür­lich funk­tio­nie­ren, aber eben immer auch Spaß machen. Wenn’s Spaß macht, kommt der Rest schon von alleine.

Heyho Granola zum Probieren

Aus eigener Erfah­rung weiß ich, wie schwie­rig es bei­spiels­wei­se ist, mit psy­chi­schen Krank­hei­ten in der Arbeits­welt Fuß zu fassen und diese Teilhabe zu erfahren. Wie erlebt Ihr die Zusammenarbeit?

Bisher sammeln wir sehr positive Erfah­run­gen. Aus dem Bereich der Woh­nungs­lo­sen­hil­fe haben wir tolles Feedback von den Betreu­ern. Seitdem J. und T. bei uns arbeiten – auch wenn sie nur zweimal die Woche kommen – sind sie Teil von HEYHO Granola. Das macht einfach viel Gutes mit den beiden. Für Karl, der eher Team Ord­nungs­lieb­ha­ber ist, ist so ein leicht chao­ti­sches Startup wie HEYHO! auch eine Her­aus­for­de­rung. Wenn er sagt “Boah Jungs, ihr müsst mehr Ordnung rein bringen!”, sagen wir “Ja geil, hilf uns dabei! Du bist der Ord­nungs­pro­fi!” Wir kehren das dann sozu­sa­gen um.

Wenn sich jemand nicht gut fühlt, dann muss er auch nicht kommen. Er muss nur recht­zei­tig Bescheid geben und dann ist es auch ok. Wir haben viel Geduld und Ver­ständ­nis. Schließ­lich wollen wird ja dabei helfen, gute Poten­tia­le zu ent­fal­ten. Das geht eben nicht an jedem Tag, das wissen wir.

Nach dem Drei-Säulen-Modell der Nach­hal­tig­keit, sollten Wirt­schaft, Gesell­schaft und Umwelt stets glei­cher­ma­ßen berück­sich­tig werden. Euer Konzept ist der Beweis, dass das möglich ist. Was hindert die meisten Unter­neh­men daran, diese Schritte eben­falls zu gehen?

Ich glaube, es ist eine Pro­fit­ge­trie­ben­heit aufgrund von Aktio­närs­struk­tu­ren. Viele Betriebe, die einmal mit guten Ideen gegrün­det wurden, gehören am Ende nicht mehr den Menschen, die den Betrieb eigent­lich am Laufen halten. Hier kommen Inter­es­sen dazu, die immer nur auf Wachstum, Wachstum, Wachstum aus­ge­rich­tet sind. Ja, wir müssen wachsen und eine gewisse Größe haben, damit sich das ganze Projekt trägt. Aber auch das hat eben seine Grenzen. Allein der Gedanke, dass Wachstum Grenzen haben kann, ist in unserer heutigen Zeit völlig fremd.

Wir glauben, dass man einen Betrieb ver­nünf­tig und lieber langsam aufbauen sollte, anstatt schnell zu wachsen und wichtige Aspekte wie z.B. die Mit­ar­bei­ter­zu­frie­den­heit hinten runter fallen zu lassen. Firmen sollten sich klar werden, was eigent­lich ihr Zweck ist – außer Wachstum und Geld­ver­meh­rung. In vielen Berei­chen findet da gerade ein Wandel statt, weil die Menschen keinen see­len­lo­sen Mist mehr kaufen wollen. Was man nicht ver­ges­sen darf: Wir leben in einer krassen Über­fluss­ge­sell­schaft. Dennoch kann man inner­halb dieser mit gutem Beispiel vor­an­ge­hen und es anders machen. Dafür treten wir mit HEYHO! an.

Heyho Grnaola Schoko

HEYHO Granola – alles andere ist Müsli

Ich treffe die Granola-Akti­vis­ten bereits zum zweiten Mal auf der BIOFACH in Nürnberg. Was sofort am bunten Stand auffällt: Der Spaß und das Mit­ein­an­der stehen immer im Mit­tel­punkt. Die soziale Müs­li­rös­te­rei bezieht ihren Hafer aus der Region um Lüneburg. Auch die Zutaten, die nicht in Deutsch­land behei­ma­tet sind, wählt HEYHO mit viel Bedacht aus. Die Idee, das fertige Müsli in Gläser zu ver­pa­cken, entstand eigent­lich aus der Not heraus. “Wir hatten einen Test­ver­kauf in einer Wall­dorf­schu­le. Kartons hätten wir in dieser Zeit nie cool bemalen können und haben dann einfach Gläser genommen.”, erzählt mir Chris­ti­an. “Auf dem Markt war die Resonanz auf das Glas so krass positiv, dass wir beim Glas geblie­ben sind.”

“Recycle oder mach was Schönes damit! Peace.”

HEYHO Granola arbeitet auch mit Unver­packt­lä­den zusammen. Dort können die bunten Müs­liglä­ser dann ganz einfach wieder auf­ge­füllt werden. Der Aufdruck “Recycle oder mach was Schönes damit! Peace.” erinnert die Kunden*innen daran, ver­ant­wor­tungs­be­wusst mit der Ver­pa­ckung umzu­ge­hen. Chris­ti­an hat auch paar Upcy­cling-Tipps parat: “Die Gläser machen sich super als Auf­be­wah­rungs­ge­fä­ße in der Küche. Man kann auch einfach eine Kerze rein­stel­len oder eine Lampe daraus basteln.”

Du findest HEYHO! klasse und möchtest das coole Müsli-Team unter­stüt­zen? Dann schau doch gerne in Deinem nachten Alnatura vorbei. Hier findest Du den ganzen März über alle leckeren Sorten in den Regalen. Wenn genug Glä­ser­ner den Laden­tisch gehen, hat HEYHO Granola die Chance auf eine Listung in den Alnatura-Märkten. Das würde ihnen beim Aufbau der sozialen Müs­li­rös­te­rei enorm helfen.

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